In einer Welt voller Ernährungsempfehlungen ist es leicht, sich überfordert und von den wahren Bedürfnissen unseres Körpers abgekoppelt zu fühlen. Denn es gibt kaum etwas, das in so viele Hirnareale angesprochen wird, die auf die Biochemie des Körpers einwirken wie das Essen.
In diesem Blogbeitrag erläutere ich die Grundsätze der intuitiven Ernährung und ihre Vorteile. Zudem erhältst du ein paar praktische Tipps, die dir helfen sollen, eine gesündere Beziehung zu Lebensmitteln und zu deinem Körper aufzubauen.
Was ist eigentlich unsere Intuition?
Der eine beschreibt sie als ein Bauchgefühl, der andere als eine Stimme im Kopf oder als ein Kribbeln im Körper, anderen schnürt sie wiederum die Luft ab. Inzwischen ist die Bedeutung der Intuition ein wichtiges wissenschaftliches Forschungsfeld geworden, mit verschiedenen Studien, die nahelegen, dass die Intuition sehr viel früher Zugang zur Wahrheit hat als der Verstand. Das Wort kommt von dem lateinischen Wort "intuitio" oder "intueri", was so viel wie "genau hinschauen" bedeutet. Also nichts Schwammiges und Ungreifbares. Im Gegenteil: Unsere Intuition fordert uns dazu auf, genau hinzuschauen.
Dass die Intuition mächtiger ist als Intellekt, wusste auch Steve Jobs. In seiner berühmten Rede an der Stanford University stellte er fest: "Intuition ist kein Gefühl oder Talent, sondern jeder hat sie. Und jeder kann sich wieder besser mit ihr verdrahten."
Eine gute Intuition entwickeln wir erst, wenn wir bereit sind, uns mit unserem Unterbewusstsein und unseren Gefühlen auseinanderzusetzen, wenn wir sie verstehen lernen und unser Wissen und unsere Erfahrung mit einer Portion Vertrauen in uns selbst und unseren Körper kombinieren.
Signale des Körpers wahrnehmen
Essen geht heute weit über die Überlebensfunktion hinaus und hat eine enge Verknüpfung zu unserer Psychologie - also unseren Gefühlen und Emotionen. Mittlerweile ist Emotionales Essen ein bekannter Begriff. Genauso wenig wie Emotionen unserem Denken im Wege stehen, sind sie auch nicht die Schuldigen für unser Essverhalten. Das Problem liegt darin, dass wir nicht fühlen wollen, und Essen als eine Betäubung unserer Gefühle nutzen.
Nicht zu fühlen bedeutet aber, einen grossen Teil des Bewusstseins auszuklammern. Genau wie Emotionen und Gefühle ist unser Essen dann häufig nur auf der mentalen Ebene wahrnehmbar. Wir nehmen es nicht im Körper wahr, beachten nicht, wie es auf der Zunge wirklich schmeckt, weil wir es herunterschlingen oder gleichzeitig was anderes machen. Wir spüren nicht, wie es sich nach dem Essen anfühlt, ob uns danach eher warm ist oder wohlig geerdet fühlen.
Anders ist das bei Diäten mit genauen Essvorschriften. Die auferlegten Restriktionen führen einerseits über eine hormonelle Gegenregulation des Körpers und andererseits über psychische Belastung meist nicht zu einem dauerhaften Erfolg. Die meisten Menschen können nach einer Reduktionsdiät den neuen Lebensstil nicht halten und nehmen deshalb wieder zu.
Die intuitive Ernährung ist somit ein erfrischender, nicht-diätetischer Ansatz, der uns dazu ermutigt, den Signalen unseres Körpers zu vertrauen, unseren Hunger und unsere Sättigung zu respektieren und starre Ernährungsregeln abzulehnen. Achtsamer mit sich und seinen Bedürfnissen umzugehen und nachzuspüren, worauf man wirklich Lust hat und was dem Körper gut bekommt, sind ebenfalls Ansätze, um zu einem entspannteren und gesünderen Essverhalten zu gelangen.
Bei der Intuition geht es darum zu wissen bevor wir wissen, dass wir wissen oder warum wir wissen. Unserem Verstand gefällt das meistens gar nicht.
Die Vorteile des intuitiven Essens
Auf deinem Weg zu intuitivem Essen hin gilt es, wieder ein Gespür für den natürlichen Rhythmus deines Körpers zu entwickeln. Konkret bedeutet das: Unsere Intuition bestimmt nicht nur, was wir essen, sondern auch wann wir essen. Sie sagt uns, wann wir Hunger haben und wann viel. Das heisst nicht, dass du dein Essverhalten durchplanen solltest, sondern dass du den Essenszeitpunkt, die Portionsgrösse und die Lebensmittelauswahl so anpasst, dass sie den Bedürfnissen deines Körpers zu diesem Zeitpunkt entsprechen.
Wenn du deine Intuition folgst, isst du, was dir schmeckt und gut bekommt - ohne Dogmen oder schlechtes Gewissen. Aber dies geschieht dann, wenn dein Körper das wirklich braucht und nicht wenn du einfach nur gerade Lust darauf hast oder aus emotionalem Hunger heraus.
Vielleicht hast du auch schon gemerkt: immer nach Lust und Laune zu essen, ohne die Hunger- und Sättigungssignale deines Körpers zu beachten, ist eher unbefriedigend und führt schneller zu Unwohlsein.
- Intuitives Essen kann deine Beziehung zum Essen heilen und kann dazu beitragen, Schuldgefühle zu reduzieren und ein positives Körperbild zu fördern.
- Dein Selbst-Bewusstsein verbessert sich, durch Achtsamkeit, Selbstmitgefühl und ein tieferes Verständnis für die einzigartigen Bedürfnisse deines Körpers.
- Die intuitive Ernährung kann dich im Gewichtsmanagement unterstützen und zur Aufrechterhaltung eines gesunden Gewichts ohne restriktive Diäten beitragen.
Kontrolle und Essregeln ablegen
Eine bekannte Regel des intuitiven Essens heisst: Es gibt keine Regeln. Viele überfordert das Anfangs, da die meisten Menschen mit einer Fülle an Ernährungsratschlägen gross geworden sind.
Wer sich bei der Ernährung voll auf seine Intuition verlassen möchte, darf also die Kontrolle über die Nahrungszufuhr und die Lebensmittelauswahl an seinen Körper abgeben. Das braucht ein bisschen Übung und Gewohnheit.
Wer aber von klein auf den Industriegeschmack gewohnt ist, kann kaum wissen, wie gut unverarbeitete und qualitativ hochwertige Lebensmittel schmecken. Insofern hilft es einen Rahmen zu geben, um eine vollwertige Lebensmittelauswahl zu treffen und in die praktische Umsetzung zu kommen.
Intuitiv essen tut der Psyche gut
Die intuitive Ernährung ist ein "dynamischer Prozess, der Körper, Psyche und Essen in Einklang bringt", so lautet die Definition der Ernährungswissenschaftlerinnen Evelyn Tribole und Elyse Resch. Die beiden Initiatorinnen veröffentlichten in den USA bereits in den 1990er Jahren ihr Konzept.
Es beruht darauf, ausschliesslich nach Hunger- und Sättigungsgefühl zu essen und ein kontrolliertes und emotionales Essen zu vermeiden.
Ihre durchgeführten Experimente zeigten auf, dass das Selbstwertgefühl und die Körperakzeptanz gesteigert wurden. Das eigene Schönheitsideal, eine falsche Körperwahrnehmung, Unzufriedenheit und Emotionalität beim Essen verändern sich. Alle Teilnehmer bestätigten ein besseres Körpergefühl sowie Erleichterung, sich nicht mehr nach Ernährungsregeln zu richten.
Ziel ist es, wieder auf den Körper und seine Bedürfnisse zu hören und so werden Gewichtsschwankungen auf natürliche Art und Weise vermieden. Denn im Vordergrund der intuitiven Ernährung steht die Gesundheit und nicht die Form des Körpers.
Intuitives Essen ermöglicht dir, die Weisheit deines Körpers anzunehmen und eine ausgewogenere und freudvollere Beziehung zum Essen zu entwickeln. Ohne Zwang. Ohne "du solltest, du musst"
Prinzipien des intuitiven Essens (nach Tribole und Resch)
1. Diätmentalität ablegen: Diätzeitschriften oder Ernährungspläne wegwerfen. Nicht auf einen neuen Ernährungsplan hoffen. Nur so lässt sich intuitives Essen wiederentdecken.
2. Auf den Hunger achten: Den Körper mit ausreichend Energie ernähren. Übermässigen Hunger vermeiden, stattdessen das erste biologische Signal eines Hungergefühls wahrnehmen lernen. Das schafft die Voraussetzung, um das Vertrauen in sich selbst wiederherzustellen.
3. Mit dem Essen Frieden schliessen: Erlaubt sind alle Lebensmittel. Achte, dass täglich alle drei Makronährstoffe vorkommen, d.h. Kohlenhydrate, Proteine und gute Fette. Verbotenes Essen kann zu unkontrollierbarem Verlangen und häufig zu Essattacken führen.
4. Die innere "Lebensmittelpolizei" herausfordern: Niemand ist schlecht, nur weil er ein Stück Schokoladenkuchen gegessen hat. Die "Polizeistation" ist tief in der Psyche verankert und ruft Schuldgefühle hervor. Weg damit!
5. Zufriedenheit entdecken: Vergnügen und Zufriedenheit beim Essen erfahren. Daraus erwächst eine starke Kraft, die hilft, genau die richtige Menge an Essen zu benötigen und zu entscheiden, wann es genug ist.
6. Sättigung fühlen: Die Lebensmittel essen, die man sich wünscht, auf die Körperzeichen achten, die keinen Hunger mehr signalisieren. Pause einlegen, das Essen bewusst schmecken und prüfen, wie hoch der aktuelle Hunger noch ist.
7. Emotionen mit Freundlichkeit statt mit Essen bewältigen: Probleme und Gefühle wie Einsamkeit, Langeweile, Angst oder Wut haben ihre Berechtigung. Essen wird keines dieser Gefühle beheben und Probleme nicht lösen.
8. Respektiere dein eigener Körper: Alle Körper verdienen Würde. Akzeptiere die genetische Ausstattung. Es ist schwer, die Ernährungsmentalität abzulehnen, wenn unrealistisch und übermässig kritisch gegenüber der eigenen Körpergrösse oder Körperform gedacht wird.
9. Aktiv werden und den Unterschied spüren: Den Fokus auf das Gefühl beim Training legen, statt auf den kalorienverbrennenden Effekt zu achten.
10. Die Gesundheit mit guter Ernährung wertschätzen: (Ballaststoffreiche) Lebensmittel auswählen, die Gesundheit und Gaumen gut tun und gleichzeitig ein positives Gefühl vermitteln. Unser Mikrobiom schätzt Abwechslung.
Mit Freude wieder auf den Körper hören
Beginne noch heute, auf deinen Körper zu hören, seinen Signalen zu vertrauen und die Freude am intuitiven Essen zu geniessen. Wähle Lebensmittel bewusster aus und nehme die ansteigende Sättigung mit allen Sinnen wahr. Beobachte, ob du beispielsweise immer um die gleiche Uhrzeit isst, auch wenn noch gar kein Hungergefühl da ist. Oder isst du vielleicht nur aus Höflichkeit, bis der Teller leer ist?
Nimm das eigene Essverhalten an, auch wenn es nicht immer gelingt, auf den eindeutigen Hunger zu warten. Oft ist es uns unmöglich, beim Ausgehen mit Freunden nichts zu essen. Hier gilt es, auf den automatischen Ausgleich bei den folgenden Mahlzeiten zu vertrauen.
Es geht bei unserer Ernährung nicht um mehr Willenskraft und genauso wenig darum, alles zu essen, wonach uns gerade ist. Es geht vielmehr darum, uns aktiv um unsere geistige und körperliche Gesundheit zu kümmern. Die Ernährungsweise sollte schlussendlich dauerhaft in das eigene Leben passen und nicht anders herum. Ein gesundes Essverhalten ist ein lebenslanger Prozess.
Der Druck von "du musst/du solltest" erzeugt oft Stress und das Gefühl, nicht genug zu tun. "Du solltest/musst weniger Essen. Du solltest/musst weniger Alkohol trinken. Du solltest/musst mehr Sport machen, dich mehr anstrengen usw. Dieser Ansatz kann uns Menschen total überfordern. Die Erlaubnis von "du darfst" schenkt Freiheit und ermöglicht, auf den eigenen Körper zu hören. Es setzt auf Selbstfürsorge und hat einen grossen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen und handeln. Es ist die gleiche Aussage und doch eine komplett andere Botschaft.
Fazit: Wenn ich intuitiv esse, weiss ich genau wann ich lieber etwas Warmes oder wann es Rohkost sein darf. Meine Intuition leitet mich zu den für mich richtigen Lebensmitteln. Weil ich meistens nur das esse, was sich richtig anfühlt, und davor nur so viel, bis ich richtig satt bin. Nur so spüre ich selten Reue. Stattdessen fühle ich mich gut und genährt. Beim Kochen weiss ich intuitiv, welche Zutaten ich brauche, damit das Gericht rund ist und mir guttut. Und auch unter Stress, esse ich so, wie ich es brauche.
Ich darf mir Zeit nehmen. Ich darf Pause machen. Ich darf langsamer essen.
Ich darf Nein sagen. Ich darf Grenzen setzen. Ich darf weniger tun.
Schenke also deinem natürlichen Hungergefühl wieder Beachtung, so kann auch dein natürliches Gespür der Sättigung wieder kommen. Ohne Reue – ohne Stechuhr – sondern in Harmonie zu deinem eigenen Körper.
Viel Spass und guten Appetit beim bewussten ausprobieren.
Herzlichst,
Patrizia
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